Betheln und umzu Schattenlinie




Die Mauer um den Kirchhof

Eine Grenzbegehung mit Hans-Henning Maas

Wenn wir heute auf diesem Platz vor unserer Kirche stehen, befinden wir uns an einem Ort, der Ruhe, Schönheit und Pflege der gärtnerischen Anlage ausstrahlt. Das war jedoch nicht immer so.

In seinen Heften zur „Geschichte von Betheln, Haus Escherde und Eddinghausen“ schreibt Pastor Klaus Depping, dass die Kirche vom Friedhof umgeben war, der mit einer Steinmauer und einem Holzzaun umgeben war. Erst 1859 wurde ein neuer Friedhof an der jetzigen Stelle errichtet. Am Rande des Friedhofs stand zunächst nur das Pfarrwitwenhaus, dort, wo sich heute das Ehrenmal befindet.

Ab 1645 vergab die Kirche nach und nach Bauland am Rande des Friedhofs auf Erbpachtbasis und die Umbauung begann. 1645 entstand das erste Haus, bis 1690 die Zahl zwölf erreicht war. Diese Häuser wurden beim großen Brand 1714 vernichtet, aber wieder aufgebaut, deshalb ist die weit verbreitete Meinung in Betheln falsch, dass diese Bebauung erst nach dem großen Brand von 1714 geschehen ist. Aber 12 Grundstücke sind es heute noch, und diese haben nur eine Fläche von etwas mehr als 100 m3. Bis 1930 zahlten die Besitzer einen Erbpachtzins oder - wie es in einer beglaubigten Abschrift des Preußischen Amtsgerichts Elze heißt - einen Erbenzins von 18 bzw. 34 Pfg. pro Jahr.

Zur Kirche hin gab es, wie Pastor Depping schrieb eine Abgrenzung aus Steinen und einen Holzzaun. Wie damals üblich wurde im jedem Haus auch Vieh gehalten, Schweine und Ziegen für Milch und Butter, und immer auch Hühner und anderes Geflügel. Dass Vieh auch Mist macht, muss ich nicht erwähnen, aber auch der musste auf dem knappen Platz hinter dem Haus gelagert werden.

So kann man sich vorstellen, dass von dieser Stelle vor der Kirche aus betrachtet, der Anblick auf die Hofseite der Häuser nicht gerade als schön zu bezeichnen war. Hier gerieten die Ansichten der Kirche und die Erfordernisse der Anwohner aneinander.

Als von 1905 bis 1935 Pastor Dr. Dr. Henneke Seelsorger hier im Ort war, der Kirchenvorstand unter seiner Leitung eine Veränderung der Situation herbeiführen. Aus Unterlagen, die mir vor kurzem von Anneliese Güldenpfennig – deren Großeltern Richard und Lina Hunze in einem der Häuser wohnten - kann man heute nachvollziehen bis in welche Kleinigkeiten um eine Lösung gerungen wurde.

Ein Problem war auch die Wasserversorgung der Grundstücke, denn Wasserleitung und Abfluss gab es noch nicht, nur eine gemeinsame Pumpe bei der Auffahrt Ecke Hauptstraße und Dorfstraße gewährleistete die Wasserversorgung aller Häuser. So musste ein Vertrag 1931 geschlossen werden, in dem die damals 11 Anlieger ein sechs Quadratmeter großes Grundstück „zu gleichen ideellen Teilen“ erwarben. Auch ein freier Zugang von allen Grundstücken zur Pumpe musste gewährleistet sein, so entstand der gemeinsame Durchgang zwischen Mauer und der Hofseite der Grundstücke.

Am 20. Januar 1929 schrieb der Pastor an den „Arbeiter R. Hunze“:
„Nach den Bestimmungen des Reverses vom 3. Dezember 1896 ist die Errichtung eines Schuppens hinter den Häusern nicht statthaft. Angesichts des im vorigen Sommer von einigen Anliegern geäußerten Wunsches, den Platz hinter den Häusern käuflich erwerben zu wollen, erklären wir uns nicht abgeneigt, falls die Streifen hinter den Häusern insgesamt restlos erworben werden.“

Rechtsanwalt Joseph Göttgens aus Gronau schreibt am 2. November 1930:
„In der Grundstücksangelegenheit mit der Kirchengemeinde Betheln teile ich Ihnen mit, dass die Umschreibung jetzt herbeigeführt werden kann, sobald Sie die Zustimmung dazu geben, dass das Trennstück, dass Sie von der Kirchengemeinde erhalten, betreten werden kann, sobald die Mauer von der Kirchengemeinde im nächsten Frühjahr gebaut wird. Das Betreten des Trennstücks muss sowohl den Vertretern der Kirchengemeinde gestattet werden, wie auch denjenigen Personen, die an der Herstellung der Mauer beschäftigt sind. Ich bitte Sie, möglichst bald zur Unterzeichnung des entsprechenden Schriftstücks bei mir vorzukommen, da ich die Angelegenheit gern in Ordnung bringen möchte.“

Eine Quittung vom 9. April 1931 sagt aus, dass für ein 39 m2 gekauftes Grundstück am alten Kirchhof 89,31 RM zuzüglich Brunnenanteil und Vermessung = 100,32 RM zu zahlen waren.

Interessant und aus heutiger Sicht teilweise lustig ist zum Schluss noch eine „Bekanntgabe“ des Kirchenvorstandes von Ende Juni 1932: Dort heißt es:

„Nachdem den Anlieger am Kirchplatz ihr Eigentumsrecht durch Ankauf und Auflassung sichergestellt und durch Ziehung von Mauern die Grenze, zugleich an den Kriegerdenkmalsplatz, festgelegt ist, bringen wir der Allgemeinheit und insonderheit den Anliegern folgendes zur Kenntnis und Beachtung:

  1. Es ist nicht statthaft, die Eingangstüren zum Kirchplatz offen zu lassen, um Hühner oder andere Tiere auf das Eigentum der Kirche zu führen. Ebensowenig dürfen sie über die Mauer hineingelassen werden.
  2. Das Aufhängen von Wäsche auf dem Eigentum der Kirche, welches früher beim Fehlen anderweitigen Eigentums widerruflich gestattet war, darf nicht geschehen.
  3. Niederlegen von Brenn- oder Nutzholz oder anderen Gegenständen an der Mauer außerhalb, Auflegen von Säcken und dergleichen auf der Mauer, Verunreinigung des Kirchplatzes durch Ausgießen von Schmutzwasser oder Ähnlichem über die Mauer ist verboten.
  4. Schädigung der in Aussicht genommen Anpflanzungen und Anlagen ist zu verhüten; für Übertretungen durch Kinder sind die Angehörigen haftbar.

Die Schonung und Pflege der im Herbst stattfindenden Neuanpflanzung wird, der Würde des Kirchengebäudes und des Denkmalsplatzes entsprechend, allen Gemeindegliedern ans Herz gelegt, und die Beobachtung vorstehender Verhaltensmaßregeln insonderheit den Anliegern empfohlen, da wir nicht in die Lage kommen möchten, den Klageweg zu beschreiten.

Ohne auch noch in die Kirchenvorstandsprotokolle gesehen zu haben - was den Rahmen dieser Veranstaltung sicher gesprengt hätte - hoffe ich, dass sie, meine Damen und Herren, von diesem schweren Ringen einerseits der Kirche und andererseits der berechtigten Notwendigkeit und dem gewohnten Verhalten der Anlieger einen Einblick erhalten haben. Zumal, wie man immer wieder von Zeitzeugen gehört hat, der damalige Pastor Dr. Dr. Henneke ein schwieriger Mensch im Umgang mit seiner Gemeinde war. Doch das ist eine ganz andere Geschichte.

Ich möchte mich aber noch einmal bei Anneliese Güldenpfennig bedanken für die Original-Unterlagen ihrer Großeltern und gleichzeitig Sie, meine Damen und Herren bitten, wenn Sie noch über ähnliche historische Unterlagen, Verträge oder Fotos verfügen, diese Unterlagen mir, und damit dem Archiv unserer Heimatgemeinde zur Verfügung stellen. Wenn Sie es wünschen, bekommen Sie – nachdem ich Kopien gemacht habe - die Originale zurück.

Für heute möchte ich meinen Part beenden und mich für ihre Aufmerksamkeit bedanken.

Hans-Henning Maas, Ortsheimatpfleger in Betheln
bei der Grenzbegehung am 16.9.2017

Anmerkung am Rande:

Als im Zuge von Straßenbaumaßnahmen zu Beginn der 1960er Jahre das „Kriegerdenkmal 1870/71 unter der Eiche“ (Haupt- und Burgstemmer Straße) versetzt werden musste, hatte man einen Platz hier auf dem Kirchhof im Bereich Ehrenmal / Mauer vor dem heutigen Grundstück Haas vorgesehen.
Familie Nolte, als damalige Besitzer des Grundstückes, war damit überhaupt nicht einverstanden. Oma Auguste Nolte – damalige Küsterin der Kirche - im Originalton auf Platt:
„ Wenn eck iut’n Fenster keuke, denn keuket meck de Adler an, un‘ hacket meck!“
(Wenn ich aus dem Fenster gucke, denn blickt mich der Adler an und hackt mich!)

Das Fundament für die vorgesehene Umsetzung war schon gegossen und ist noch heute zu sehen. Das Denkmal wurde dann aber am Ortsausgang nach Heyersum aufgestellt und steht dort heute noch.

Lästerhafter Spruch mit ernstem Hintergrund damals: Am ursprünglichen Standort blickte der Adler nach Westen, dem möglichen Feind entgegen, nun - zu Zeiten des kalten Krieges in den 1960er Jahren - blickte der Adler nach Osten.

Der Text ist auch hier abrufbar.

Letzte Aktualisierung: 19.3.2024

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